Berlin/Meschede. Freude, Erleichterung, Jubel: Es ist so vieles, was Stefanie Drescher in diesem Moment aus sich herauslässt. Kein Wunder: Die 36-Jährige hat gerade mit einer Goldmedaille bei den Special Olympics World Games in Berlin den – bisherigen – Gipfel ihrer Sportlerinnen-Laufbahn erklommen. Stefanie Drescher ist Profi-ID-Judoka – ihre sportlichen Wurzeln liegen dabei in Meschede.
ID-Judo ist die Judovariante für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Seit Beginn der 1980-er Jahre besteht diese Disziplin – in Meschede hat sich die Judogruppe des Behinderten-Sportvereins (BSV) Meschede auf die Fahnen geschrieben, diesen Sport Menschen mit Handicap näherzubringen. Dort trat Stefanie Drescher auch im Jahr 2010 erstmals auf den Tatami – so wird in der Fachsprache die Judo-Matte genannt. Dass sie fortan Pokale und Medaillen gleich reihenweise sammeln würde, hätte sich die junge Frau aus Velmede wahrscheinlich nicht träumen lassen. „Klein, nett und lustig – im Sport stark und erfolgreich“: So beschreibt Lothar Braukmann, der als Übungsleiter gemeinsam mit Trainer Christoph Gmyrek die BSV-Judoka coacht, Stefanie Drescher.
Die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Schon bei ihrer ersten Einzelteilnahme an einem größeren Turnier, den Judo-Einzelmeisterschaften in Hückeswagen, gewann sie 2013 den Titel einer NRW-Landesmeisterin. Es folgten etliche Erfolge bei den Bethel-Athletics, NRW-Landesmeisterschaften und anderen ID-Judo-Wettbewerben. Und trotzdem: Immer wieder überlegte Stefanie Drescher in dieser Zeit, zum Zumba-Tanz zu wechseln – „wir mussten sie quasi überreden, beim ID-Judo zu bleiben“, erinnert sich Lothar Braukmann.
Nicht nur das war vom Erfolg gekrönt, sondern auch die weitere sportliche Laufbahn: Im Jahr 2014 stand die junge Velmederin erstmals ganz oben auf dem Treppchen. Es gab Gold bei den nationalen Special Olympics Sommerspielen in Düsseldorf – und ebenso zwei Jahre später bei Neuauflage dieses Wettbewerbs im Hannover. Hintergrund: Seit 2007 ist ID-Judo im offiziellen Wettbewerb bei den Special Olympics vertreten. Special Olympics ist die weltweit größte, vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) offiziell anerkannten Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
Lohn der Mühen: Bei der HSK-Sportgala im Jahr 2016 wurde Stefanie Drescher mit Gold ausgezeichnet; ein Jahr später gab es Silber. Die Goldmedaille bei den nationalen Special Olympics Sommerspielen 2018 in Kiel wurde für die BSV-Judoka gleichzeitig zum Sprungbrett für den ersten Auftritt auf internationaler Bühne: 2019 ging es zu den Special Olympics World Games nach Abu Dhabi. Und auch hier geht die Erfolgsserie für Stefanie Drescher weiter: In ihrer Klasse WK 2 – Judoka, die aufgrund ihrer Behinderung Judo-Techniken eingeschränkt umsetzen können – holt sie direkt die Bronzemedaille.
Damit nicht genug: Weil in der WK 1 – Judoka die trotz ihres Handicap mit Judoka ohne Behinderung trainieren können und die Techniken gut umsetzen können – eine Judoka ausgefallen ist, geht Stefanie Drescher auch hier auf den Tatami. Der Lohn: Eine Silbermedaille – ein toller Erfolg. Ebenso konnte die junge Sauerländerin in diesem Jahr den Titel einer deutschen Vizemeisterin sowie den 3. Platz bei der Europameisterschaft erringen.
Überhaupt bringt das Jahr 2019 zahlreiche Veränderungen mit sich: Gemeinsam mit fünf weiteren Judokas wechselt Stefanie Drescher ins Sportleistungszentrum nach Köln-Frechen – sie erhält ein Sportstipendium der Gold-Kraemer-Stiftung. Fortan ist die Sauerländerin damit eine Profi-Judoka, die sich ganz ihrem Sport widmen kann. Auch ihren Lebensmittelpunkt verlegt Stefanie Drescher nach Frechen und zieht dort in eine Wohngemeinschaft. Im Jahr 2023 unterstützt Stefanie Drescher auch die Host-Town-Kampagne der Stadt Meschede: Im Rahmen des Fackellaufs, der die drei Host Towns Winterberg, Olsberg und Meschede verbindet, trägt sie die symbolische olympische Fackel in den Hennepark.
Und nun das ganz große Ding: Bei den Special Olympics World Games in Berlin sahnen die deutschen ID-Judoka richtig ab. Gleich fünf Goldmedaillen gibt es für die Athletinnen und Athleten mit dem Adler auf der Brust. Eine davon geht an Stefanie Drescher – jubelnd läuft sie nach ihrem Finalsieg durch die Arena. Zu diesem Erfolg gratulieren auch ihre Sportfreunde und –freundinnen von den BSV-Judoka – verbunden mit der Hoffnung auf die ein oder andere gemeinsame Trainingseinheit in Meschede.
Meschede/Bestwig. Eine besondere Würdigung für eine außergewöhnliche Leistung: Die Profi-ID-Judoka Stefanie Drescher erhielt jetzt gemeinsame Glückwünsche der beiden Bürgermeister Christoph Weber (Meschede) und Ralf Péus (Bestwig). Bei den Special Olympics World Games in Berlin hatte Stefanie Drescher im Juni die Goldmedaille im ID-Judo erreicht.„Eine Goldmedaille ist sicher die höchste Auszeichnung, die man als Sportlerin oder als Sportler bekommen kann“, so Christoph Weber. Mindestens genau so wichtig wie der sportliche Erfolg sei aber das Zeichen in die Gesellschaft hinein, ergänzt Ralf Péus: „Nicht ein Handicap macht einen Menschen besonders – besonders macht ihn, dass er sich einbringt.“ Das sei schließlich auch der Grundgedanke der Inklusion: Die gleichberechtige Teilhabe aller Menschen. Deutlich wird das auch in der Aufschrift der Goldmedaille, die Stefanie Drescher in Berlin bekommen hat: „#unbeatable“ und “together“ – „unschlagbar“ und „gemeinsam“.Seit 2019 lebt Stefanie Drescher in Frechen bei Köln. Im dortigen Sportleistungszentrum kann sie sich dank eines Stipendiums der Gold-Kraemer-Stiftung ganz ihrem Sport widmen. Aufgewachsen ist die 36-Jährige in Bestwig-Velmede; ihre sportlichen Wurzeln liegen beim Behinderten-Sport-Verein (BSV) Meschede, wo sie im Jahr 2010 erstmals mit dem ID-Judo – der Judo-Variante für Menschen mit Handicap – in Berührung kam.Deshalb sprach Bürgermeister Weber ein besonderes Dankeschön dem BSV-Team um die Trainer Lothar Brauckmann und Christoph Gmyrek aus. Auch sie hätten einen Anteil an der Goldmedaille – „und ebenso alle Menschen, die beim BSV Meschede Sport treiben.“